In der funktionellen Medizin und in den Sportwissenschaften setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass gesunde Muskelmasse und -kraft wesentlich dazu beitragen können, im natürlichen Alterungsprozess länger agil und gesund zu bleiben. Daher habe ich mal einen Blogbeitrag geschrieben, warum eine gesunde Muskulatur wichtig ist, wie Du Deinen Muskelstatus testen kannst und wie Du Deine Muskulatur trainieren kannst.
Der Performance Professor Andy Galpin hat zu diesem Thema unlängst ein paar sehr spannende Podcastfolgen veröffentlicht, aus denen ich die wesentlichen Inhalte für diesen Beitrag zusammengefasst habe.
Die Skelettmuskulatur, das größte Organ des Körpers, spielt eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation zwischen den verschiedenen Systemen in unserem Körper. Sie ist essenziell für viele physiologische Funktionen, wie die Regulierung des Blutzuckers, Energieproduktion, kardiovaskuläre Gesundheit, die kognitive Funktion, Hormonhaushalt und der Knochengesundheit. Bei unzureichender oder geschädigter Skelettmuskulatur treten erhebliche Gesundheitsprobleme auf, die kurz- und langfristige Auswirkungen haben.
Mit zunehmendem Alter nimmt die Muskelmasse natürlicherweise ab. Menschen verlieren zwischen 25 und 80 Jahren etwa 40 % ihrer Muskelmasse, sofern sie nichts dagegen unternehmen. Sarkopenie, ein übermäßiger Muskelmasseverlust, erhöht das Mortalitätsrisiko erheblich. Menschen mit geringer Muskelmasse und -kraft haben ein höheres Risiko eines vorzeitigen Todes. Krafttraining kann Sarkopenie vorbeugen, Gesundheit fördern und das Demenzrisiko verringern. Die Skelettmuskulatur ist im Vergleich zu anderen Langlebigkeitsfaktoren wie Genetik besonders anpassungsfähig und reagiert schnell auf Veränderungen des Lebensstils.
Muskelfasern werden in langsam und schnell kontrahierende Fasern unterteilt. Diese haben jeweils unterschiedliche Funktionen. Ihre Verteilung verändert sich mit Alter und Aktivitätsniveau. Schnell kontrahierende Fasern sind essenziell für Kraft und Schnellkraft, wichtig für ältere Menschen bei Aktivitäten wie dem Abfangen eines Sturzes. Längere Inaktivität oder mangelnde Bewegung kann zum Verlust dieser Fasern führen, was Schwäche und eingeschränkte motorische Koordination verursacht.
Während alle Muskelbewegungen langsam kontrahierende Fasern nutzen, aktivieren nur Aktivitäten mit hoher Kraft die schnell kontrahierenden Fasern. Diese Fasern nehmen zuerst ab, wenn man älter wird. Deshalb ist Krafttraining entscheidend, um sie im Alter zu erhalten.
Messung und Interpretation von Muskelmasse und -kraft
Muskelmasse
Kernspin- oder Ultraschalluntersuchungen gelten als Goldstandard zur Analyse der Muskelmasse. Diese liefern hochauflösende Bilder einzelner Muskeln oder Muskelgruppen. Ganzkörper-Scans sind jedoch sehr teuer und schwer zu bekommen.
Einfacher zugängliche Alternativen zur Muskelschätzung sind sog. DEXA-Scans (in den USA 100-200 USD) oder Personenwaagen mit bioelektrischer Impedanzanalyse (BIA). Eine in diesen Systemen häufige verwendete Schätzung ist die appendikuläre Muskelmasse, bezogen auf Muskeln in Armen und Beinen.
Der fettfreie Masseindex (FFMI) ist eine andere nützliche Methode. Männer sollten einen FFMI über 20 und Frauen über 16,5 anstreben. Diese Schätzungen sind eventuell weniger genau, bieten jedoch einen wertvollen Anhaltspunkt für ausreichende Muskelmasse.
Muskelkraft
Muskelmasse und Muskelkraft sind zu unterscheiden und gesondert zu betrachten, wenn man seine Körperkomposition verändern möchte. Es ist möglich Muskelmasse aufzubauen, aber diese Muskelmasse sollte auch leistungsfähig sein. Hier kommt die Kraftbetrachtung ins Spiel. Es geht nicht unbedingt darum, Muskelberge aufzubauen. Sondern im ProAge Kontext ist vor allem wichtig, dass diese Muskeln uns auch in den nötigen Aktivitäten unterstützen. Da ist Kraft oftmals der sinnigere Zielparameter im Training. Aber wenn man keine hinreichende Muskelmasse hat, funktioniert i. d. R. auch das Krafttraining nicht wirklich gut.
Teste deine Kraft mit folgenden Übungen:
Bankdrücken: Männer sollten ihr eigenes Körpergewicht stemmen können. Frauen sollten etwa 60 % ihres Körpergewichts heben.
Beinpresse: Männer sollten das Doppelte ihres Körpergewichts anheben, Frauen das 1,5-Fache.
Griffkraft: Nutze Handkraftmessgeräte, um beide Hände zu testen. Männer sollten auf jeder Seite mehr als 45 kg erreichen. Frauen sollten mehr als 27,25 kg anstreben. Die Griffkraft ändert sich mit dem Alter und variiert zwischen den Geschlechtern. Du kannst sie mit alters- und geschlechtsspezifischen Normdaten vergleichen. So erhältst du eine genaue Einschätzung im Vergleich zu anderen deiner Altersgruppe.
Der Nutzen von Krafttraining ist vielfältig und übertrifft die Bedeutung der Muskelmasse allein. Es gibt keine Obergrenze für den Nutzen von Krafttraining. Deshalb sollte man sich nicht auf Körpergewichtsempfehlungen beschränken. Verbesserte Kraft fördert Deine allgemeine Gesundheit und mindert das Risiko für Gesamtmortalität und Demenz.
Falls Du Asymmetrien in der Muskelkraft oder -masse zwischen Vorder- und Rückseite deines Körpers oder zwischen links und rechts feststellst, versuche das auszugleichen! Eine leichte Asymmetrie kann in Sportarten mit viel Rotation und Drehmoment vorteilhaft sein, sollte aber unter 10 % bleiben. Das hilft, gesundheitliche Probleme zu vermeiden. Studien zeigen, dass asymmetrische Griffkraft ein erhöhtes Risiko für Sarkopenie und Muskeldenervierung bedeuten kann. Diese Forschungsergebnisse zu diesem Thema sind noch in einem frühen Stadium. Der Schwellenwert von 10 % ist der beste Schätzer für akzeptable Differenzen, aber nicht durch umfangreiche Studien bestätigt. Betrachte diese Empfehlung als Orientierungswert, während wir auf aussagefähigere Forschungsergebnisse warten.
Muskelmasse und -kraft steigern
Viele Trainingsmethoden existieren, um Muskelgröße und -stärke zu optimieren. Doch die funktionelle Leistungsfähigkeit zählt mehr als bloße Muskelmasse. Mit diesem Ansatz im Hinterkopf folgen einige grundlegende Trainingsempfehlungen, die dich unterstützen:
1. Ernährung: Sorge täglich für eine Proteinzufuhr von ca. 1 Gramm Protein pro Pfund Körpergewicht (ca. 2 Gramm pro kg). Weniger als 0,7 Gramm Protein pro Pfund Körpergewicht (ca. 1,6 g/kg) kann das angestrebte Muskelwachstum beeinträchtigen. Dein Körper hat einen Grundumsatz an Protein, in dem die bestehende Muskelstruktur regelmäßig recycelt und neu aufgebaut wird. Soll darüber hinaus neue Muskulatur aufgebaut werden, muss man i. d. R. auch mehr an Protein bzw. Aminosäuren hinzufügen. Eventuell musst Du auch Deine Gesamtkalorienzufuhr leicht steigen, um Dein Training optimal zu unterstützen.
Viele empfinden es als Herausforderung, 1 Gramm Protein pro Pfund Körpergewicht zu erreichen. Ich nutze daher an Krafttrainingstagen mit durchschnittlicher Kantinenernährung hochwertiges Molkenprotein aus Gras gefütterten Tieren, um diese Zielmenge zu erreichen.
Diese hier aufgeführte Menge ist höher als das, was Ernährungswissenschaftler in Deutschland häufig empfehlen. Ich habe am Anfang auch mit weniger agiert. Aber da hat sich der gewünschte Muskelzuwachs zumindest bei mir nicht eingestellt. Du muss ausprobieren, was für Dich und Deinen Körper funktioniert. Häufig wird kolportiert, dasss eine gesteigerte Proteinmenge schädlich für die Nieren wäre. Die Wissenschaft hat zwischenzeitlich herausgearbeitet, dass diese Aussage i. d. R. nicht korrekt ist.
2. Übungsauswahl: Trainiere jede Woche alle großen Muskelgruppen. Du hast die Wahl zwischen Hanteln, Kettlebells, Kraftgeräten, Übungen mit dem eigenen Körpergewicht und Widerstandsbändern. Exzentrische (negative) Übungen, isometrische Trainingsformen sowie verschiedene Übungsverteilungen zwischen den genutzten Trainingsgeräten sind wirksam bzw. nützlich. Ein wichtiger Hinweis wäre jedoch, dass Du am Anfang Hilfsmittel benutzt, die Du mit möglichst geringem Verletzungsrisiko auch korrekt benutzen kannst. Es nutzt nicht, wenn Du Kettlebelltraining machst, wenn Du die dafür nötige Technik aber nicht beherrschst. Dann ist es viel sinnvoller, so lange mit risikoarmen Maschinen zu arbeiten bis eine hinreichende Muskulatur aufgebaut ist und Du Dir die nötige Technik fürs Training angeeignet hast. Das Training an Geräten erscheint oftmals unsexy, ist aber in Hinblick auf den angestrebten Muskelzuwachs mindestens genau so effektiv, wenn nicht sogar effektiver, weil Du i. d. R. mehr Gewicht in der Übung verwenden kannst. Eine korrekt eingestellte Maschine gewährleistet eine korrekte Bewegungsausführung.
3. Bewegungsumfang: Trainiere alle Gelenke über ihren gesamten Bewegungsbereich. Achte auf korrekte Körperhaltung und Gelenkintegrität. Vermeide übermäßiges Wackeln oder Schütteln. Eine starke Muskelunterstützung um jedes Gelenk schützt sowohl das trainierende als auch die umliegenden Gelenke.
4. Bleibe konzentriert: Fokussiere Dich bei jeder Übung auf Technik, Bewegung und Tempo (schnell oder langsam).
5. Beherrsche die Bewegungsausführung, bevor du die Intensität erhöhst.
Achte auf die Balance der Bewegungsebenen und Deine Körperhaltung. Beanspruche alle Muskelgruppen und nicht nur die ästhetisch ansprechenden. Strebe eine ausgewogene Kraftverteilung von vorne und hinten sowie auf beiden Körperseiten. Dadurch vermeidest du Schwächen in Muskeln und Gelenken, die Deine zukünftige Beweglichkeit beeinträchtigen könnten. Wechsle gelegentlich die Trainingsgeräte, aber nicht zu oft. Integriere einseitige, beidseitige und Rotationsübungen, um Asymmetrien zu korrigieren und das Gleichgewicht auf allen Bewegungsebenen zu verbessern.
6. Überlaste Deinen Körper bewusst aber schrittweise, um die angestrebte progressive Überlastung im Krafttraining sicher umzusetzen. Steigere in der Regel jede Woche nur um 2-5 % entweder das Gewicht oder die Wiederholungen. Diese Progression sollte auch nur dann erfolgen, wenn du die richtige Form beibehalten kannst. Beim Krafttraining erhöht man typischerweise wöchentlich die Intensität, also das Gewicht. Beim Hypertrophietraining wird in der Regel das Volumen erhöht, das heißt die Anzahl der Sätze oder Wiederholungen.
7. Kenne Dein Ziel: Willst du Muskelmasse (Hypertrophie) oder Muskelkraft (Kraftproduktion) steigern? Beim Hypertrophietraining trainiert man typischerweise mit mehr Wiederholungen. Beim Krafttraining nutzt man schwerere Gewichte und weniger Wiederholungen.
Hypertrophie : Training um Muskelmasse zu steigern
Um Deine Muskelmasse zu steigern, sollten folgende Empfehlungen im Training berücksichtigt werden:
Wiederholungen: In der Regel 8 bis 12 Wiederholungen pro Satz, wobei effektives Muskelwachstum auch bei 5 bis 30 Wiederholungen erreicht werden kann.
Intensität: Die Intensität hängt vom gehobenen Gewicht ab: Bei 8-12 Wiederholungen sollten 70-80% des maximalen Gewichts (1RM) angestrebt werden, bei 20-30 Wiederholungen eher 30% des 1RM.
Pausen: Pausenzeiten sollten zwischen 30 Sekunden und 5 Minuten liegen. Kürzere Pausen führen zu Ermüdung und erfordern weniger Wiederholungen oder ein geringeres Gewicht.
Häufigkeit: Verteile für jede Hauptmuskelgruppe 15 bis 20 Sätze oro Woche auf 2 bis 3 Trainingstage. Beispiel: Wenn Du die Hamstrings trainieren möchtest, wähle zwei Übungen für diese Muskelgruppe aus und führe drei Sätze pro Übung durch. Trainierst du an drei Tagen pro Woche, kommst du auf insgesamt 18 Trainingssätze.
72-Stunden-Regel: Trainiere jede Muskelgruppe alle 72 Stunden, um das Wachstum anzuregen. So vermeidest du Übertraining und übermäßigen Muskelkater. Ein gut durchdachter Trainingsplan berücksichtigt diese Trainingsempfehlungen und ist besonders auch für Anfänger geeignet.
Als ich diese in der Trainingswissenschaft entwickelten Empfehlungen zum ersten Mal gelesen habe, bin ich fast vom Stuhl gefallen und habe gedacht, dass das in meinem Lebensalltag nicht umsetzbar ist! Und ich habe Anfangs auch mit weniger probiert, aber da ist auch kein Muskelzuwachs erfolgt. Ich musste meinen kompletten Trainingsplan und teilweise sogar meinen normalen Tagesablauf umstellen, um mindestens 3 Krafttrainingseinheiten pro Woche realisieren zu können. In der Folge musste ich auch mein Cardiotraining und mein Yogaprogramm umstellen, um diese 3 Krafttrainingseinheiten realisieren zu können.
Aber wo ein Wille ist, ist bekanntlich auch ein Weg! Seit dieser Umstellung funktioniert die angestrebte Hypertrophie. Mein idealer Trainingsplan ist noch nicht rund, aber die Messergebnisse in der BIA Analyse zeigen klar in die richtige Richtung.
Solltest Du noch ein wenig Motivation suchen, hier noch ein Tip: Schaue Dir in Deinem Bekannten- und Freundeskreis die Menschen über 80 an, die KEIN Muskeltraining gemacht haben und vergleiche Ihre körperlichen Fähigkeiten mit Menschen, die regelmäßig Muskeltraining (in welcher Intensität auch immer) betreiben. Ich erlebe das gerade ganz intensiv in meinem Umfeld und muss sagen, dass das für mich der Hauptmotivator ist, drei mal wöchentlich Krafttraining zu machen. War es aber am Anfang eher eine Vernunftsentscheidung, kann ich zwischenzeitlich sogar sagen, dass es Spaß macht. Mein neuer Lieblingsspruch in dem Kontext :
„Schmerzen (vom Krafttraining bzw. Muskelkater) ist Schwäche, die den Körper verlässt“. 🙂
Krafttraining
Um Deine Muskelkraft zu steigern, folge diesen Trainingsempfehlungen:
Wiederholungen: Mache 3 bis 5 Wiederholungen pro Satz. Zu viele Wiederholungen führen zur Erschöpfung und mindern deine Hebefähigkeit.
Intensität: Verwende schwere Gewichte! Wähle Gewichte nahe deines 1RM (> ca. 80 %). Doch gehe mit der Last vorsichtig und überlegt um. Du kannst das Gewicht später immer noch steigern. Vermeide Verletzungen!
Pausen: Nimm dir zwischen den Sätzen 2 bis 5 Minuten, um dich ausreichend zu erholen und eine gute Bewegungsqualität zu gewährleisten.
Häufigkeit: Plane 3 bis 5 Trainingseinheiten pro Woche ein.
3-bis-5-Regel: Um Kraftzuwächse zu maximieren, wähle 3 bis 5 Übungen. Jeder Übung folge mit 3 bis 5 Wiederholungen in 3 bis 5 Sätzen. Pausiere zwischen den Sets 3 bis 5 Minuten. Trainiere an 3 bis 5 Tagen wöchentlich.
Und auch zu diesem Blogbeitrag passt Bill Bowermans Message wieder mal ausgezeichnet:
„Wenn du einen Körper hast, bist du ein Athlet.“ 😊
Herzliche Grüße Frank